„Mit verhangenen Fenstern fuhr der Zug durch das Land. […] Es war ein Abschied für lange, für immer vielleicht. Werden sie wiederkommen?! Wann? Als alte Leute? Oder erst ihre Kinder? Die Eltern durften nicht mit bis zum Zug. Der Bahnsteig war abgeriegelt. Hier war die Heimat, die geliebte, für diese Kinder verloren. Hinter der Sperre standen die Mütter und hatten hilflose Gesichter. […] Es sind Kinder. Sie können weinen, weil sie Heimweh haben, drei, vier, fünf und mehr Tage können sie weinen, aber sie können lachen, wenn sie ein Fussballmatch sehen, und sie können das Heimweh vergessen, wenn sie zum ersten Mal die Salzluft des Meeres riechen. Es ist das grosse Glück und ein Wunder, dass die Kinder vergessen können. […] In Holland wurden die Gardinen des Kinderzuges zurückgezogen. Holländische Kinder kamen an die Bahn, mit Guirlanden [sic!], Milchkaffee, Kuchen und Butterbroten. ‚So viel brachten sie mit‘, sagte ein kleines Mädchen, ‚dass wir es gar nicht aufessen konnten.‘ […] Dovercourt ist das grösste Kindercamp, unmittelbar in der Nähe von Harwich. Man geht an einer langen Reihe von kleinen Chalets vorüber, die wie Schlafwagenabteile aussehen. In jedem ‚Coupé‘ sind ein bis zwei Betten, ein Waschtisch mit fliessendem Wasser und ein Kasten. Jeder Block hat ein bis zwei Bäder. […] Jeden Morgen kommt der gefürchtete immigration-officer von Harwich und gibt englischen Unterricht. Die Kinder verstehen noch nicht, dass der immigration-officer eine der bedeutendsten Persönlichkeiten geworden ist, dass es von seinem Stempel, um den viele zittern, abhängt, ob einer in England landen darf oder nicht. […] Die Kinder, die England grosszuegig aufgenommen hat, sind zwischen 5 und 18 Jahren. Aber den Engländern gefallen diese Kinder so gut, dass in mehreren Fällen schon die Gastgeber Garantien für die Eltern der Kinder geben und sich bemühen, den Vater und die Mutter nachkommen zu lassen. So bereiten, vielleicht das erste Mal in der Geschichte, die Kinder den Eltern den Weg. Die Engländer haben sich verpflichtet, die Kinder bis zum achtzehnten Jahr zu versorgen und ihnen die Möglichkeit einer Berufsausübung zu verschaffen. […] Sie wachsen hier auf und sie wachsen sich ein, und in ein paar Jahren werden sie besser Englisch sprechen als Deutsch bestimmt, die Kleinen. Und wenn sie dann einmal nach Hause fahren – o nein, es wird nicht in grauen Zeiten sein – so werden die Fenster der Züge nicht mehr verhangen sein, und sie dürfen mit offenen Augen auf die Farben ihres Landes schauen, aus dem sie vertrieben wurden, als sie Kinder waren, und sie werden sagen können, dass sie trotz allem eine glückliche Jugend gehabt haben.“1